In einem Stadtwerk gibt es jede Menge Prozesse. Die meisten sind von der Bundesnetzagentur vorgegeben und unterliegen ständigen Anpassungen. Wenn die theoretisch gut automatisierbaren Abläufe auf das echte Leben treffen, müssen Menschen manchmal eingreifen und der Maschine „helfen“ bzw. die Vorgänge manuell durchführen.
Ein typisches Beispiel: Sie ziehen in eine Wohnung ein und melden sich bei ihrem lokalen Versorger an. Dieser tauscht die Daten mit anderen Marktteilnehmern aus und erfährt so, dass ihr Vormieter sich gar nicht abgemeldet hat. Ein Mitarbeiter ihres Stadtwerks kontaktiert sie und bittet, ihm das Übergabeprotokoll für die Mietwohnung zukommen zu lassen, damit die beteiligten Unternehmen Daten korrigieren.
Ein anderes Beispiel: Sie haben sich telefonisch bei einem neuen Lieferanten angemeldet, und der Call Agent hat sich bei ihrem Nachnamen vertippt: Statt Mustermann trug er Mustemann ein. Beim Datenaustausch wird der Fehler festgestellt: Ihr alter Stromversorger finden Sie unter dem falschen Namen nicht. Ein Mitarbeiter wird benachrichtigt und kann die Ursache schnell beheben.
Es gibt zahlreiche Gründe, dass Prozesse nicht vollumfänglich autonom laufen können. Und eine Reihe von Methoden, sie zu automatisieren. Um dabei erfolgreich zu sein, ist es wichtig, sie zu kennen und ihre Eignung in jedem konkreten Fall zu verifizieren.
Auf einen Prozessverantwortlichen prasselt eine Menge Angebote: RPA, KI,… So ging es auch mir. Berater, Softwarehersteller erzählten, wie ausgezeichnet die Automatisierung mit ihrem Tool funktioniert und wie viel man dabei sparen kann. Fragt man nicht genau nach, wird einem selten erklärt, was in der Wirklichkeit passiert. Wenn wir über Optimierung manueller Geschäftsabläufe sprechen, gibt es generell folgende Herangehensweisen:
- Weglassen
- Outsourcen
- Digitalisieren mit RPA
- systemseitig Automatisieren.
Jeder dieser Wege hat pro und contra und eine pauschale Aussage wie „RPA ist DAS Automatisierungswerkzeug für alle Abläufe“ ist annähernd so zutreffend wie „Ein Pflaster ist die beste Lösung für jede Wunde“. Dennoch schafft RPA schnell eine Abhilfe, der auf Dauer einer Backend-Optimierung weichen soll. Warum? Weil RPA die Mitarbeiter zwar vom stupiden Klicken befreit, aber den Prozess an sich in nicht im Geringsten besser macht.
Das wurde bei den ersten Versuchen, menschliche Auffassungsgabe durch eine „wenn-dann“-Logik zu ersetzen, deutlich. Wir fragten Kollegen, die seit Jahren ihre Abläufe im Schlaf beherrschten, warum sie diese oder jene Entscheidung treffen. Eine Antwort darauf zu finden, war meist nicht einfach. Es entstanden mitunter heftige Diskussionen darüber, wie wird es entschieden und was richtig oder falsch ist. Im Nachhinein haben diese Austauschrunden als eine der wertvollsten Ergebnisse einer RPA-Einführung herausgestellt: Wir haben Optimierungspotenziale jenseits der simplen Digitalisierung von manuellen Abläufen entdeckt und Fehler behoben.
Aber ich überspringe einige wichtige Fakten. RPA in heutiger Form ähneln vom Prinzip den alten guten Makros in Windows 3.11: Einem „Roboter“-Programm wird eine Klickabfolge beigebracht. Es kann „Wenn-Dann“-Entscheidungen treffen. Wie in dem Beispiel zu Beginn: Ist in der Wohnung ein anderer Mieter gemeldet, schreibe dem neuen eine E-Mail und bitte um ein Übergabeprotokoll, ansonsten gratuliere dem Kunden zum Einzug. Mit dem Nachnamen wird es schon schwieriger, denn diese Art von Textabgleich ist fehleranfällig. Der Mensch sieht dagegen auf einen Blick: „Oh, da hat sich jemand vertippt“.
Heutige RPA-Systemen finden keine selbstständigen Lösungen, sondern machen exakt das, was der Entwickler vorgegeben hat. Somit werden die Grenzen klar: alle Entscheidungen sollen als „Wenn-Dann“-Logik abbildbar sein, die Anzahl Klicks - nicht allzu groß sein und die Oberflächen sich möglichst wenig ändern.
Dafür kommt RPA mit Medienbrüchen bestens klar: Es ist überhaupt kein Problem, aus einer E-Mail Daten zu kopieren, sie in ein ERP-System übertragen, dort ein Bericht aufrufen und ihn in Excel-Datei exportieren, abspeichern und dann per E-Mail zu verschicken. Kurz gesagt, alles, was ein Mitarbeiter an der Oberfläche erledigt, kann der Roboter: Bei RPA wird eine menschliche Interaktion mit anderen Anwendungen simuliert. Somit digitialisere ich mit dieser Technologie manuelle Schritte in einem Geschäftsprozess.
In welchen Fällen macht es Sinn? Diese Fragestellung hat sich im Nachhinein als der wertvollste Outcome des RPA-Projekts herausgestellt: Die Fragen „Warum?“ und „Wie wird diese Entscheidung getroffen?“ sorgten für heftige Diskussionen unter Prozessexperten, und zum Schluss zu Optimierungen führten, die über eine Digitalisierung der manuellen Tätigkeiten weit hinaus gingen.
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