Rationale Bauchentscheidungen?

Für Sie ein Widerspruch? Für mich nicht. Wenn Sie weiter lesen, erfahren Sie warum. 

 

Auf den Bauch zu hören, ist doch gut. Oder nicht? 

 

Kommt drauf an. Ich benutze gerne privat und beruflich eine einfache Faustregel: Je teurer die Entscheidung oder ihre Konsequenzen, desto rationaler soll sie werden. Ich starte keinen komplizierten Entscheidungsprozess für die Beschaffung von einem Wandkalender, sehr wohl aber für einen Softwarekauf, der sich signifikant auf meinem Budget lasten wird, und die Arbeitsweise vieler Beschäftigte beeinflussen wird. 

 

Auf Bauchgefühl komplett zu verzichten, löst das Problem nicht. Unsere Intuition ist ein wunderbares Werkzeug der Natur, der uns hilft, schnell in komplizierten Lagen zu navigieren. Wie komme ich dann zu einer Entscheidung? Durch ganzheitliche Betrachtung objektiver Daten, Zahlen und Fakten zusammen mit subjektiven Eindrücken, die Entscheidungskriterien bilden.

 

Oft tut man sich schwer, solche Kriterien überhaupt zu finden. Mir hilft ein kleiner Trick: Ich stelle mir vor, diese Entscheidung meinem Nachfolger erklären zu müssen, der das Geschäft und die Lage noch nicht kennt. 

 

Und so gehe ich vor. Und zwar unabhängig davon, ob es um einen Softwarekauf, Umstrukturierung einer Organisationseinheit oder Entwicklung eines neuen Produkts handelt. Weil wir alle das zumindest privat schon mal gemacht habe, skizziere ich das Vorgehen am Beispiel vom Auswahlprozess einer Software. 

 

Zunächst suche ich mir handfeste Fakten. Das neue System inkl. Wartung und Betreuung wird X€ pro Jahr kosten. Durch die Einführung erwarte ich eine Erhöhung des Automatisierungsgrads um 10%, was mir jährlich eine Ersparnis von Y€ bringt. Dafür muss ich eigene Prozesskosten genau kennen und monitoren. Das ist aber ein Thema für einen separaten Artikel. 

Dazu kommen noch Einmalkosten für Einführung und Schulung. 

 

Wenn ich die Kostenseite kenne, sind qualitative Aspekte an der Reihe, denn am Ende des Tages wird das beste Preisleistungsverhältnis und nicht bloß das günstigste Produkt auf dem Markt gesucht. Zu solchen Aspekten zählen der Erfüllungsgrad meiner Anforderungen und völlig weiche Kriterien wie Images des Anbieters, Gesamteindruck, Innovationsfähigkeit, usw. Die Bewertung qualitativer Charakteristika ist immer subjektiv und erfolgt aus dem berühmten Bauch.

 

Wie rationalisiere ich das? Die Antwort liegt auf der Hand. Wie im Eiskunstlauf lasse ich mehrere Richter, in meinem Fall, betroffene und involvierte Mitarbeiter, ihre subjektive Meinung abgeben und bilde einen Durchschnitt. So entsteht aus vielen Bauchentscheidungen eine einzelne Bewertung. Deutlich objektivere. 

 

Inzwischen sind wir fast am Ende: Aus den Kriterienbewertungen wird ein Wert ausgerechnet, der die Gesamtwertung abbildet und so über die Platzierung unserer Alternativen entscheidet. 

 

Um die Robustheit der Entscheidung zusätzlich zu erhöhen, halte ich fest, wie wichtig mir ein Kriterium im Vergleich zu anderen, z.B. das Image des Anbieters verglichen mit seiner Innovationsfähigkeit? Wie gravierend ist das, wenn eine fachliche Anforderung nicht erfüllt ist?

 

So versehe ich alle Kriterien mit einem Gewicht entsprechend ihrer Priorität und bilde einen gewichteten Durchschnitt, der harte Fakten UND das Bauchgefühl mehrerer Personen abbildet und so eine rationale nachvollziehbare Entscheidung möglich macht.

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